( werktitel : unbekannt )
25.-26. Juni 2022
Kasten an der Reith, 3335 Weyer
kuratiert von
Ada Karlbauer, Siena Brunnthaler
mit adO/Aptive
kuratiert von
Ada Karlbauer, Siena Brunnthaler
mit adO/Aptive
(werktitel : unbekannt )
«Nur deshalb spricht man so viel vom Gedächtnis, weil es keines mehr gibt» lautet ein vielzitierter Satz von Pierre Nora. Dieser Satz bestätigt die bekannte Logik, nach der ein Phänomen erst abhanden gekommen sein muss, um voll ins Bewusstsein zu gelangen. Bewusstsein entwickelt sich generell «im Zeichen des Abgelaufenen». Diese Logik passt gut zum retrospektiven Charakter der Erinnerung: So setzt diese doch erst dann ein, wenn die Erfahrung, auf die sie sich bezieht, «abgeschlossen im Rücken liegt». (Assman, Aleida: Erinnerungsräume.)
Die Erinnerung liegt nun im Rücken. Die Gegenwart quillt langsam über. Wieder wird ein Museum zum Archiv, ein Archiv wird zum Vergessen. Das ehemalige Ennsmuseum wird aufgelöst - der «Kasten an der Reith», so nannten es manche. Die kulturhistorische Sammlung wurden in den Räumen vergessen, genauso wie die Geschichten. Sie liegen in Kisten, warten in Schichten. Unter jeder Schicht der nächste Blick, eingeschlafen bis übermorgen. Überfluss trifft auf Leerstelle. Die Ausstellungsgegenstände müssen gehen, sollen archiviert werden, brauchen einen neuen Ort. Das Vergessen drängt. Die Dinge sind angefallen. Die Zeit vergeht hier langsamer. Die Geschichten die noch zu erzählen sind, müssen erzählt werden.
box-shaped memories
Anlässlich der Auflösung des Ennsmuseums beschäftigte sich der erste Teil der Ausstellung «box shaped memories» der Reihe (werktitel : unbekannt) mit diesen Räumen, mit den perspektivenlosen Gegenständen, mit der versperrten Geschichte. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Frage nach dem Umgang mit Mikro- und Makroarchiven in einer Gegenwart, die sukzessive überquillt – nicht nur physisch. Mikroarchive entstehen überall, jederzeit, manchmal ganz ohne Absicht: die Jahre vergehen, die Stapel bleiben. Geschichten entstehen überall, jederzeit: als stille Post, zwischen den unterschiedlichsten medialen Räumen verdichten sich lose Ausgangspunkte zu neuen Erzählungen, zu fiktionalen Wirklichkeiten, die sich langsam verselbstständigen. In einer geteilten Gegenwart mit verschiedenen Blickwinkeln werden die Verhältnisse zwischen Ursprung und Deutung neu gesetzt. Daneben erlangen physische Rückstände, sowie Ansammlungen im gegenwärtigen Schatten eines Krieges eine ganz neue Bedeutung.
Die Geschichte von Weyer an der Enns: Eisentransport, Eisenverarbeitung, Schauplatz zweier Weltkriege. Erdgeschichte und Volkskultur des oberösterreichischen Ennsraumes. Der 1373 erstmals erwähnte «Kasten» war der wichtigste Anlegeplatz für die Flösser und Schiffer auf der Enns zwischen Grossreifling und Steyr. Die Geschichte des Ortes wurde geprägt durch ihre Räumlichkeit: das Ennstal. In dieser Umgebung zeigt (werktitel : unbekannt) einen Versuch, die flexiblen Wissensnetzwerke eines dämmernden Archivs neu zu denken. Ein Zoom vom Eigenen ins Unbekannte und umgekehrt. Die alten Erzählungen werden neu betrachtet, anders positioniert, wieder gelesen. Dabei wird nicht der gesamte Bestand zugänglich, sondern im Zentrum steht eine Auswahl an Artefakten. Ein Entgegenwirken gegen das Vergessen: Position beziehen, eine Neukonnotation der historischen Gegenstände und Fragestellungen.
artist meets archive
Eine Auswahl an jungen, zeitgenössischen Künstler:innen aus unterschiedlichen Bereichen reflektieren die verborgene Geschichte der Objekte innerhalb der eigenen Arbeit. Es entstehen Dialoge, Reaktionen und gemeinsame Erzählungen. Als Ausgangspunkt diente eine Auswahl von 12 Objekten aus dem in Kisten verpackten Ausstellungsfundus. Diese wurden dokumentiert und den ausgewählten Künstler:innen übermittelt. In einer Zeitspanne von zwei Monaten wurde mit einer künstlerischen Arbeit auf das jeweilige Artefakt reagiert, seine Geschichte erdacht und geformt – ergänzend zu den eigentlichen historischen Begebenheiten. In (werktitel : unbekannt) geht es um Momente der Erinnerung und Vergegenwärtigung, um die Spannung zwischen Realität und Fiktion als assoziativer Prozess, sowie das Abarbeiten am Vergessen. Ein Dialog zwischen Vergangenheit, Gegenwart und spekulativer Zukunft. Die Zukunft im Plural gedacht. Der Kasten geht, die Erinnerung bleibt.
Feelings for a Spider, 2021
Inkjet-Print auf Papier
Fragmentarische Gedanken. Skizzen einer anderen Geschichte des Spinnens. In der Ecke hängt ein Netz, ein Spinnrad zentral, eine Frau führt die Arbeit aus. Angst vor Spinnen. Man sagt Menschen hätten sich das Weben von den Spinnen abgeschaut, heisst es in der Deutung von Arachne, eine Gestalt der griechischen Mythologie. Aline Sofie Rainer reflektiert diese Gedanken skizzenhaft weiter, hinterfragt diesen nach wie vor rein weiblich konnotierten Aufgabenbereich. Raufen, Riffeln, Rösten/Rotten, Trocknen/Darren, Brechen, Schwingen, Hecheln. Spinnen als Gedicht. Der fragmentarisch gehaltene Text Arachne oder lose Assoziationen zum Spinnen zeigt als Teil der Arbeit assoziative Textpassagen, die sich mit den verschiedenartigen Erscheinungsformen des Webens in der Kunstgeschichte bis in die Gegenwart lose auseinandersetzt, lässt Figuren wie Maman von Louise Bourgeois, eine riesige Stahlspinne mit glitzernden Eiern in Erscheinung treten, in Gedanken weiterspinnen.
Artefakt: Stab für Flachsbüschel vor dem Spinnen, nach dem Flachshecheln
Iris (S1E1-00:30:29), 2022
Birke, Buntstift auf Papier
Im hölzernen Auge spiegeln sich die Erinnerungen, mit Buntstift ausgemalt. Die weichen Konturen formen einen Ausschnitt, irgendwo einmal gesehen, festgehalten. Es könnte ein Name sein von einer dieser Figuren. In Iris (S1E1-00:30:29) lässt Bartholomaeus Waechter fiktive Zeitstempel im Raum entstehen, verhandelt das Festhalten bestimmter Momente, ausgehend von visuellen Medien wie Filmen oder Serien. Das Material: geflicktes Sperrholz, an manchen Stellen furniert vertäfelt, die Erinnerungen in Globusform. Er verhandelt die Aneignung von Fiktion sowie Identifikationsprozessen mit filmischen Protagonist:innen. Das Setting gestaltet sich als Symbiose zwischen Innen und Aussen. Eine Interaktion zweier Körper, die eine Verbindung eingehen, fast wie ein kindliches Ballspiel auf einer dieser Wiesen. Ein Spiel ohne Gegner. Fiktive Nostalgien oder nostalgische Fiktionen.
Artefakt: Zeichnungen von Grabkreuzen von Schülerinnen und Schülern der Hauptschule Weyer, um 1980
object with protective qualities, 2022
Holz, Gips, Baumwolle, Stahl, Folie, Ton
Ein anthropomorphes Objekt versteckt sein Zwinkern. Der Kopf ist gebeugt, der Körper als hölzerne Kon-tur angedeutet. Nur wenige Linien sind nötig. Gedanken an Felder im Sommer, an Krähen, die an Gesichtern nagen. David Takeshi Yoshida schafft mit object with protective qualities eine Figur, die sich durch ihre visuelle Reduktion konstruiert und trotzdem Merkmale aufweist, die man wiedererkannt. Die Figur wirkt improvisiert, gebastelt, gerade so, dass ein Vogel davon getäuscht werden könnte. Der Körper ist kreuzförmig, eine Horizontale öffnet den Raum. Das Kreuz als christliches Symbol der Vergänglichkeit wird durch das Objekt verkörpert, ein gespiegeltes Memento mori. Der Blick konfrontiert sich dabei augenzwinkernd mit diesen christlichen Narrativen, so dass durch seine räumliche Platzierung Momente der Ehrfurcht imitiert werden.
Artefakt: Barocke Allegorie für die Vergänglichkeit (Eitelkeit) alles Irdischen, 18./19. Jahrhundert, Teil eines Altars
In Memory to Memories, 2022
Skulptur
Beton, Kupfer, Eisennägel
Ein Grabstein für ein verstorbenes Museum, als Auferstehung der Erinnerung. Die Zukunft liegt im Rücken, während sie passiert. Die Zeiten haben sich hintereinander angestellt um sich abzulösen, als endloser Loop. Florian Sigl verarbeitet mit In Memory to Memories das Verhältnis zwischen Festhalten und Loslassen von Zeit und Erinnerung, schafft eine physische Manifestation an einem historischen Ort im Wandel, lässt einen Gedenkort entstehen. Die Auflösung des ehemaligen Ennsmuseums lässt die Erinnerungsebenen kollidieren, die Bilder überschreiben sich. Die Platte wurde vorgefunden, vor Ort, die eigene Geschichte unsichtbar in Stein gemeisselt, diese wurde neu beschrieben. Vor dem Kasten platziert, um zu bleiben. Das Material verwittert, von Zeiten gezeichnet. Die Worte aus Kupfer gegossen, schreiben sich in die Augen. Ein Gedenkort der verlorenen Erinnerung. Eine Arbeit gegen das Vergessen.
Flügelspannweite, 2022
Installation
Fahrradkette
Horizont erweitern, 2022
Installation
Aluminium, Stahl, Plastik, Sicherheitsseil
Untitled, 2022
Installation
Plastik, Stahl, Wachs
Keiner braucht mehr Flügel, Das Ziel hängt stets im Blickfeld, fast zu erreichen. Writing pop lyrics is not so easy schmiegt sich um den basketballkorbförmigen Gegenstand, mit Lippenstift wurden die Worte hingekritzelt. Ein daily reminder auf Aluminium, ein Mantra der Gegenwart. Dahinter das Wort survivorship bias, die systematische Überschätzung von Erfolg. Hanna Besenhard thematisiert mit Horizont erweitern, Untitled und Flügelspannweite, Macharten des Erfolgs, die Abweichung als Teil des Systems, im Schatten verborgen. Überlebende Verzerrung. Die Arbeiten verhandeln den Wunsch den Boden zu verlassen, mit Wachs verklebt. Die Angst vorm Himmelssturz, wenn die Sonne zu nah scheint. Geschmolzene Flügel aus alten Geschichten. 3D Prints von Träumen, geformt aus DIY Kits von Dronen. Das grüne Wachs hat sich auf den Propellern gefangen, als bildhafte Schichten. Eine Konservierung von Fehlern und Abweichungen, eine Einbalsamierung. Das Ziel ist nicht weit entfernt. Die Ketten formen die Zeit, durch ineinandergreifende Glieder, deren Struktur ein Schriftbild zeichnen. Hätte ein Mensch Flügel, wären diese 5 Meter lang.
Artefakt: Gegossene Wachsfiguren der Wachszieherei Hofer in Weyer, um 1970
GRETA, 2022
Video Installation
Hinter den Spitzenvorhängen, Gartenzäunen und Holzfassaden verstecken sich die Bilder. Draussen bleibt es still, alle schweigen. Im Inneren klingen die Worte im Loop. Ein Blick zu viel.
Wann du wülst
Wann du wiaklich, wiaklich wülst
Bleibst immer jung
Konfrontationen mit der eigenen Dunkelheit und darüber hinaus.
Artefakt: Frauenschmuck des 19. Jahrhunderts: Halskette, Geldbörse, Ohrringe, Brautschleier, textiler Blumenstrauss, Sommerhandschuhe
Symbolic Attributive 1-4, 2022
Geschnitztes Lindenholz
Phonetic Fragmentary, 2022
Acryl auf Holz
Auf den Wappen haben sich die Motive gewandelt, keine Ursprünge mehr. Fragmente ohne Identität – man erkennt eine Schlange, einen Ball. Namen werden zu Wörtern, zu Symbolen, zu Welten. Durch wenige Brüche geraten diese ins Wanken, verlieren den Sinn oder das Bild. Hurl wird zum Ball, their zum Erbe und so weiter. Ein Rätsel versteckt hinter dem ersten Blick. Eigenschaften formen Bilder, versammeln sich innerhalb eines Frames. Fünf Worte als Gravur, eingeschnitzt in die Objekte. Janina Weissengruber schafft mit Symbolic Attributive 1-4 Objekte einer Imitation. Die Formen von normativen Wappen werden beibehalten, nachgezeichnet, die Farben sind ausgefallen. Sie verhandelt dabei die Fragmentierung von Identität, die durch die Zusammensetzung von Symbolen entsteht, genauso schnell aber wieder aufgelöst werden kann. Objekte ohne Ort, ohne realen Ursprung. Diese Gemeinden müsste man erst erfinden.
Artefakt: Nachgestellte Wappen von Steyr (Panther) und verschiedenen Hammerherrenfamilien
(Für Maria), 2022
Sound Installation
Ein Altar für Maria. Die Visionen dringen in die Ohren, in die Räume. Blicke in die Dunkelheit. Die Kopfbedeckung, die vor uns zu sehen ist, wurde von einem Mädchen namens Maria, liebevoll Miazl genannt, getragen, welches sich schon in jungen Jahren aus ihrem Leben verabschiedete. Der mündlichen Überlieferung nach war das Mädchen geplagt von Visionen der Zukunft. Diese Visionen kamen nicht in bildlicher Form zum Vorschein, sondern als akustische Phänomene. Oft habe sie von seltsamen Geräuschen und musikalischen Klangfarben gesprochen, die sie immer mehr heimsuchten. Es heisst, dass ihr dieser akustische Ort Angst einflösste, zunehmend habe sich ihre Wahrnehmung an diesen Ort übertragen. Könnte irgendwer einmal erzählt haben. In der Sound Installation Für Maria nimmt Leon Leder das Verhältnis zwischen vermeintlicher Erinnerung und Fiktion als Ausgangspunkt. Erinnerungen werden zu Erzählungen werden zu Fiktionen. Eine Vision aus der Dunkelheit in die Dunkelheit. Für Maria.
Artefakt: Traditionelle Kopfbedeckung für Mädchen in der Eisenwurzen, 19. Jahrhundert
the state of being stretched tight, 2022
Afrik, Anzugstoff, Zinn, Stecknadeln
Eine Konstruktion tarnt sich als Figur. Ein Körper ohne Kopf, an die Wand gelehnt, im Begriff zu sinken. Die mögliche Gestalt trägt Stoffbahnen. Die Nadelstreifen wachsen aus dem Rock hervor, formen eine mögliche Identität. Daneben ein Holzbein. Andere Assoziation. In the state of being stretched tight schafft Lisa Sifkovits Bilder einer Ohnmacht. Ohnmacht im Stillstand, im Sinken stehengeblieben. Eine parasitenartige Zinnbrosche fixiert den Körper im Raum. Teile einer antiken Kniebank werden mit Palmfaser-Matten verwoben und formen die Gestalt, visualisieren eine Bewegung. Irgendwann wurden die Materialien zum Bepflastern von Möbelstücken genutzt, manchmal immer noch. Der Kopf explodiert in Stroh, wuchert wie aus den Löchern von alten Möbelstücken. Eine Figur tarnt sich als Konstruktion. Anthropomorphe Assoziationen. Ein Hybrid zwischen Möbel-, und Kleidungsstücken, inbetween. Eine Begegnung zwischen Anzug, kontemporären Layering und barocken Faltenwürfen schaffen eine Begegnung.
Artefakt: Gemälde aus dem Gut am Gang bzw. der Stallburg in Küpfern bei Weyer, um 1600
unbound capture, 2022
Fotografie Installation
Digitaldruck, Textil, Stahl, Faden
Gezähmte Blicke. Die Natur ist grün, ganz so wie man es sich vorstellt. Die Blickränder wurden durch Zähne geformt. Es könnte überall sein wo Wiesen liegen, Berge stehen. In unbound capture thematisiert Pille-Riin Jaik die menschliche Obsession zwischen Einfangen und Ausblenden, sowie dem Blickregime in den visuellen Medien. Die Ästhetiken von normierten Naturfotografien werden dabei aufgegriffen und aufgebrochen. Anstelle von Lebewesen treten Kunstwerke, die sich in die Landschaft einnisten. Eine Falle schmiegt sich über die Äste. Unter der bewegten Oberfläche zeigen sich abstrakte Formen. Symbiosen zwischen Natur und Konstruktion. Die Verhältnisse kippen. Während die Arten verschwinden, bleiben die Motive und Winkel gleich. Der Rahmen zentriert den Blick, der Rest bleibt vergessen. Ein Rahmen als Falle, die Zähne gespitzt
Artefakt: Von Motten zerfressene Insekten-/Käfersammlung im Glaskasten, um 1970
Schichten
Wandarbeit
Textintervention im öffentlichen Raum
Auf den Wänden hängen die Worte, zeigen die Orte. Diese Vergangenheit wird oft vergessen, überblendet, überbaut, auch hier. Rosa Andraschek nimmt in der ortsspezifischen Arbeit Schichten Bezug auf die Ennstalstrecke zwischen St. Valentin und Weyer, die in engem Zusammenhang mit der NS-Zwangsökonomie steht. Eine Arbeit in zwei Teilen, im ehemaligen Ennsmuseum werden die Adressen der Standorte der Produktionsstätten aufgelistet, die von der nationalsozialistischen «Panzerfabrik Nibelungenwerke» (heute MAGNA International) über die von Zwangsarbeiter:innen und Häftlingen aus Konzentrationslagern gebauten Kraftwerke an der Enns bis zum ehemaligen Ennsmuseum führen. Zwischen St. Valentin und Weyer wird anhand von Kreide eine Sichtbarmachung vorgenommen, der Boden markiert. Während in den Räumen des Ennsmuseums die Adressen der heutigen, von der NS-Zwangsarbeit profitierenden Betriebe aufgelistet werden, wird an den Standorten der ehemaligen Betriebe deren historischer Bezug visualisiert. Ein Spiegel der Orte.
Artefakt: Zahnrad eines Panzers, der 1945 in die Enns gestürzt und Jahrzehnte später gefunden und geborgen wurde
Zisch und Weg, 2022
Video Installation
Helium Ballone, Nylon Schnur
Draussen vor der Tür steht ein Skelett, von der Zeit zerfressen, aus dem Wasser geborgen. Rost ist darüber gewachsen. In den Reifen liegt die Luft aus 1945 verborgen, archiviert. Am Strassenrand platziert steht das vergessene Fahrzeug sinnbildhaft für eine Reihe an Artefakten, die zum Ende des Krieges 1945 in die Enns geworfen wurden, genauso wie die Schuld und so manche Erinnerungen. Lange Zeit war der Opel Blitz vom Fluss verborgen, unter dem Strom. Erst 2006 wurde es aus dem Türkis geborgen und im Sichtfeld an der Mündung vor dem ehemaligen Ennsmuseum platziert. In diesem Zusammenhang behandelt Rudi Fröch in seiner Arbeit Zisch und Weg Fragen nach der Auflösung von kontroversen Beständen, reflektiert Themen der nationalsozialistischen Vergangenheit des Ortes. Schon aus der Ferne erkennt man die Ballons, sie sind braun, quellen aus dem Rahmen des Raumes ohne Tür. Sie sind an die Decke gewachsen, Skizzen im Zentrum, als Anleitung. Denkmäler werden mechanisch in die Luft befördert, ganz ohne Aufwand. Träume vom Wegfliegen des Nazi-LKWs, ganz ohne Rückkehr. Möglicherweise alles heisse Luft.
Artefakt: Opel Blitz (Lastwagen der deutschen Wehrmacht), der 1945 in die Enns gerollt und am 26. Oktober 2006 wieder aus dem Fluss geholt wurde
Labour seemed less glossy on Anarres than on A-Io, 2022
Alabaster, Knochenleim, Pigmente, Leinöl-Firnis, Inkjet-Print
Die Knochen sind gestapelt, verleimt. Eingesperrt in einem Rahmen. Eine Fotografie im Zentrum. Irgendwann noch wurden in Bauernhäusern Rinderknochen Gliedlböden verarbeitet, zur Massage. Seit der Renaissance wurde Knochenleim aus Rindsknochen für die Scagliola-Technik zur Herstellung von Stuckmarmor verwendet. Spätestens seit dem Barock ist fast jeder Marmor, der in Sakralen Bauten zu sehen ist, in dieser Technik hergestellt worden. Alabaster-Gips wird mit Knochenleim versetzt, um das Aushärten zu verzögern und anschliessend in einem sehr zeitaufwendigen Verfahren zu prunkvollen Säulen oder Platten geformt, verspachtelt, geschliffen, versiegelt. Die Arbeit Labour seemed less glossy on Anarres than on A-Io zeigt einen Rahmen in dieser Technik, darin eine stilisierte Säule aus Rinderknochen sowie Knochenleim. Sie behandelt Fragen nach der Verfügbarkeit und dem Einsatz von Arbeitszeit in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, sowie verschiedenen Verarbeitungsgraden von Materialien. Der Titel denkt an den Roman The Dispossessed von Ursula K. Le Guin, der die Beziehungen zwischen der libertären, von Luxus und Dekadenz geprägten Gesellschaft des Staates A-Io und einer sozialistisch strukturierten Siedlung auf dem Mond Anarres beschreibt.
Artefakt: Nachbau eines Gliedlbodens (Gelenksknochen von Rindern) im Keller des Kastens an der Reith